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Sturz eines Reitschülers vom Reitschulpferd

 

Berufungsinstanz OLG Brandenburg     17.11.2021

Vorinstanz LG Potsdam      21. 04.2021

 

 

Im vorliegenden Fall war eine Reitschülerin (Klägerin) in Ihrer zweiten Reitstunde vom Pferd gestürzt. Zu dem Unfall kam es, da sich das Pferd, welches nicht durch Führstrick oder Longe Kontakt zum Reitlehrer hatte, auf Grund von Laubrascheln erschrak und unkontrolliert Sprünge machte.

 

Die Reitschülerin nahm daraufhin die Reitlehrerin (Beklagte) als Betreiberin der Reitschule auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch.

 

Das Landgericht hatte die Klage nach durchgeführter Beweisaufnahme dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Darüber hinaus hatte es festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin alle materiellen und immateriellen Schäden, welche ihr aus dem Reitunfall entstanden waren oder noch entstehen würden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen seien.

 

Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten zurück und folgte den Ausführungen des Landgerichts.

 

In der Begründung hieß es, dass die Beklagte der Klägerin vertraglich gegenüber verpflichtet gewesen sei, diese über die beim Reitsport zu beachtenden Regeln und Sicherheitsmaßnahmen zu informieren und sich zu vergewissern, dass die Klägerin diese Regeln verstanden habe und hätte umsetzen können. Da die Klägerin erst die zweite Reitstunde genommen hätte, sei die Beklagte zudem verpflichtet gewesen, ihr ein dem Anfängerstadium der Klägerin gerecht werdendes und friedfertiges Pferd zuzuweisen, das nicht zu überraschendem Verhalten neige. Zudem müsse der Veranstalter einer Reitstunde eine Reitanfängerin grundsätzlich an der Leine oder an der Longe führen. Erst nach ca. 10 bis 14 Reitstunden sei ein Reitanfänger zum freien Reiten zuzulassen, so das Gericht.

Weiter führte das Gericht aus, dass eine vertragliche Sorgfaltspflichtverletzung sich auch aus der Art und den Umständen des Einzelfalls insbesondere auch aus einem Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen ergeben könne. Hierbei obliege der Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Beachtung der gebotenen Sorgfaltspflichten. Im Streitfall habe das Verhalten des von der Beklagten für die Klägerin zugewiesenen Pferdes „…“ unstreitig dazu geführt, dass die Klägerin schwere Verletzungen erlitten habe. Hierbei habe sich die typische Tiergefahr realisiert, denn nach dem unstreitigen Sachstand habe sich das Reitschulpferd durch Laubrascheln erschreckt und unkontrollierte Sprünge gemacht. Hierdurch sei der Sturz und die Verletzungen bei der Klägerin verursacht worden. Die Beklagte habe als unstreitige Halterin des Reitschulpferdes für die hierdurch verursachten Schäden bei der Klägerin verschuldensunabhängig einzustehen. Im vorliegenden Fall sei der Beklagten auch der mögliche Entlastungsbeweis entsprechend § 833 S. 2 BGB, an den strenge Anforderungen zu stellen seien, nicht gelungen. Für eine Entlastung sprächen weder die Bekundungen des vernommenen Zeugen … … zum Unfallhergang noch die Bekundungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen …, denen die Kammer folge. Im Ergebnis der Beweisaufnahme sei die konkrete Durchführung der zweiten Reitstunde für die Klägerin durch die Beklagte fachlich höchst bedenklich gewesen, da die Klägerin quasi „ins kalte Wasser geworfen“ worden sei, indem sie keine Longierstunde erhalten habe und stattdessen gleich einen Rundweg um den Reitplatz absolviert habe und hierbei ihre reiterlichen Fähigkeiten nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Aus Gutachtersicht sei das Verhalten der Beklagten als unbekümmert und risikofreudig zu bewerten. Unverständlich sei in diesem Zusammenhang insbesondere, dass die Beklagte weder durch Longe noch durch Führstrick eine Verbindung zwischen Reitlehrerin und Pferd gehalten habe. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte sich ein Durchgehen des Pferdes durch eine Verbindung mit Führstrick, Führkette oder Longe verhindern lassen. Der Beklagten habe als Reitlehrerin in diesem Zusammenhang eine besondere Sorgfalts- und Fürsorgepflicht für ihre Reitschülerin oblegen. Hierfür sprechen auch die Verhaltensvorschriften der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V., die fachliche Kriterien für einen pferdegerechten Umgang unter Berücksichtigung der Risikonormierung für Reitschüler normierten. Danach solle der Unterricht für einen absoluten Anfänger in einer möglichst geschützten Umgebung stattfinden, in der Umweltreize möglichst minimiert würden. Diese Grundsätze habe die Beklagte hier missachtet, denn sie hätte erkennen können und müssen, dass die Klägerin fachlich überfordert gewesen sei und sie zudem nicht hinreichend dicht und gesichert am Pferd „…“ gewesen sei.

Ein eigenes Mitverschulden der Klägerin liege hingegen nicht vor, so das Gericht, da Anhaltspunkte hierfür weder vorgetragen noch ersichtlich seien.

 

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