Ihr Anwalt für Pferderecht informiert zum Thema: Grenzen der vorrangigen Beurteilungskompetenz eines Amtstierarztes

VG Oldenburg       07.07.2022

Im vorliegenden hatte das Veterinäramt bei einer Kontrolle einer Pferdehaltung Mängel festgestellt. Insbesondere hätten sich nach Aussage des Veterinäramtes die sechs Pferde in einem „mäßigen Ernährungs- und Pflegezustand“ befunden und bei mindestens drei Pferden seien das fachgerechte Intervall für die Hufbearbeitung nicht eingehalten worden. Auch sei die Weide abgeweidet gewesen und es habe für die Tiere kein Futter, keinen Unterstand und keinen Windschutz gegeben. Gleichfalls sei die Einzäunung der Weide nicht sicher gewesen, es hätte die Gefahr bestanden, dass die hungrigen Pferde auf der Suche nach Futter auf die Straße laufen.

Daraufhin ordnete die zuständige Amtstierärztin die Sicherstellung und unverzügliche Aufstallung der Pferde an. In der Begründung hieß es unter anderem, dass die Versäumnisse in Bezug auf Ernährung, Gesundheitsfürsorge/Gesundheitspflege, Hufpflege und Unterbringung der Pferde zu dem besorgniserregenden Zustand der Tiere geführt hätten. Diese würden grobe Verstöße gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Satz 2, § 2 Nr. 1 TierSchG darstellen. Im Hinblick auf das bisherige Verhalten der Tierhalterin gegenüber ihren Pferden (grobe Vernachlässigung i.V.m. Untätigkeit) attestierte das Veterinäramt der Tierhalterin hinsichtlich ihrer Tierhaltung eine negative Zukunftsprognose, da davon auszugehen sei, dass die Tierhalterin ihrer Tierhalterpflicht kurzfristig nicht nachkommen werde.

In der Folge ordnete das Veterinäramt die Veräußerung der sechs Pferde an und untersagte der Tierhalterin das Halten von Pferden, Ponys aller Rassen oder anderen Equiden. In der Begründung hieß es, dass aus den amtstierärztlichen Feststellungen „erwiesenermaßen und zweifelsfrei“ die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin, die die Anordnung des Haltungs- und Betreuungsverbots rechtfertige, folge.

Das angerufene Gericht konnte dem nicht folgen. Denn soweit das Veterinäramt diese Zukunftsprognose allein mit der „amtstierärztlichen Beurteilung“ begründe, sei dies hier ungenügend, da die gesetzlich normierte vorrangige Beurteilungskompetenz der Amtstierärzte dort ihre Grenzen fände, wo keine veterinärmedizinischen Fragen zu beurteilen seien. Eine solche Frage außerhalb spezifisch veterinärmedizinischer Sachkunde sei die Prognostizierung zukünftigen Tierhalterverhaltens. Die Frage, wie sich eine Person zukünftig als Tierhalter verhalten würde, sei eben keine veterinärmedizinische, so dass die entsprechende Einschätzung der Amtstierärzte nicht durch die Vorschrift des § 15 Abs. 2 TierSchG privilegiert sei, sondern – den allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts folgend – einer inhaltlich nachvollziehbaren und überzeugenden Begründung bedürfe. An einer diesen Anforderungen genügenden Begründung der Prognoseentscheidung fehle es hier, da die bloße Angabe, die festgestellten Verstöße rechtfertigten nach amtstierärztlicher Beurteilung die negative Zukunftsprognose, keine hinreichende Begründung darstelle.

Weiter führte das Gericht aus, dass auf Grund dieser fehlerhaften Prognoseerstellung die Fortnahme auch unverhältnismäßig sei. Vor einer Fortnahme solle aus Verhältnismäßigkeitsgründen immer auch geprüft werden, ob nicht Anordnungen nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG i.V.m. Fristsetzungen und Zwangsgeldandrohungen ausreichen, um artgemäße Zustände herzustellen.

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